Kunstinitiative

des Gedenkens

von

Konstanze Sailer

"Rote Winkel"

Ausstellung 01. - 30. April 2015

 

Konstanze Sailer

 

Tusche auf Papier

 

 

 

Galerie Open Space

Adele-Jellinek-Gasse 43                     

1160 Wien

 

Adele Jellinek (* 2. März 1890 in Wien-Ottakring; † 3. Aug. 1943 im Ghetto Theresienstadt) war eine österreichische Schriftstellerin und Opfer der NS-Diktatur. Sie verfasste sozialkritische Romane und im proletarischen Milieu angesiedelte Erzählungen. Adele Jellinek wurde im Mai 1943 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo sie am 3. August 1943 verstarb. (Zahlreiche Quellen nennen als Todestag fälschlich den 3. September 1943. In der sogenannten Todesfallanzeige des Ghettos Theresienstadt ist jedoch der 3. August 1943 vermerkt.)

 

 

Bis zum heutigen Tag existiert in Wien keine Straße, die ihren Namen trägt. Anstelle von Karl Pschorn, Mundartdichter und NSDAP-Mitglied seit 1932 - nach ihm ist eine Gasse in Ottakring benannt - sollte zukünftig an Adele Jellinek erinnert werden.

"Aufschrei 10:59 Uhr", 2015, 48 x 36cm
"Aufschrei 10:59 Uhr", 2015, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

70 Jahre später

 

blicken wir erneut auf die Ruinen von Auschwitz, Dachau und Mauthausen. Hören wir noch die endlosen Schreie?

"Aufschrei 11:33 Uhr", 2015, 48 x 36cm
"Aufschrei 11:33 Uhr", 2015, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Aufschreie

 

von damals sind wie Tonspuren für immer in unser kollektives Gedächt- nis graviert. Der Nachhall der end- losen Schreie verstummt niemals.


"Schrei 12:49 Uhr", 2015, 48 x 36cm
"Schrei 12:49 Uhr", 2015, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mit „Winkeln“,

 

jenen farbigen, gleichschenkligen Stoffdreiecken auf ihrer Häftlings-kleidung wurden Menschen, zusätzlich zu den Häftlingsnummern, ihrer Grundrechte beraubt und ent- individualisiert.

"Endloser Schrei 15:38 Uhr", 2015, 48 x 36cm
"Endloser Schrei 15:38 Uhr", 2015, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

Die „Winkel“

 

bestimmten den Platz und das unfassbare Grauen der Tages-abläufe von deportierten Menschen. Nicht nur politische Häftlinge, auch nahezu alle ausländischen Häftlinge mussten rote Winkel in den Konzentrationslagern tragen.

"Schrei 19:18 Uhr", 2015, 48 x 36cm
"Schrei 19:18 Uhr", 2015, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

Rote Winkel

 

wurden in der Art einer Sammelkate- gorie vergeben: Jegliche Form des Widerstandes gegen die NS-Diktatur, von Sabotage, Hören von Feind-sendern bis zum Verstecken von sogenannten Volksfeinden, wurde mit roten Winkeln gekennzeichnet.

 

"Schrei 20:42 Uhr", 2015, 48 x 36cm
"Schrei 20:42 Uhr", 2015, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

Der französische Philosoph

 

Emmanuel Lévinas schrieb, die Gewalt könne es immer nur „auf ein Antlitz absehen“, womit er den Bezug von Gewalt auf ein jeweiliges menschliches Gegenüber meinte.

"Aufschrei 22:20 Uhr", 2015, 48 x 36cm
"Aufschrei 22:20 Uhr", 2015, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

Die Kiefer

 

in den Tuschen von Konstanze Sailer sind in das Bild gesetzte sprachliche Zeichen. Sie ordnen zu: Kiefer zu Aufschrei, Schriftzeichen zu Todes-phonem.

"Aufschrei 04:13 Uhr", 2015, 48 x 36cm
"Aufschrei 04:13 Uhr", 2015, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

Jeder

 

der zum schmerzerfüllten Aufschrei geöffneten Kiefer ist einem Laut zugeordnet. Jäh unterbrochene Sprache. Jeder Aufschrei ist der des je eigenen Sterbens: Phonematische Orthografie des Grauens.