Kunstinitiative

des Gedenkens

von

Konstanze Sailer

"Goethehof"

Ausstellung 01. - 31. Oktober 2016

 

Konstanze Sailer

 

Tusche auf Papier

 

 

 

Galerie Art-Court

Friedl-Dicker-Brandeis-Gasse 44

1220 Wien

 

Friedl Dicker-Brandeis (* 30. Juli 1898 in Wien; † 9. Oktober 1944 im Vernichtungslager Auschwitz) war eine österreichische Malerin, Innenarchitektin, Designerin und Bühnenbildnerin. Aus jüdisch-bürgerlichem Elternhaus stammend, studierte Friedl Dicker zunächst Grafik in Wien, später am Bauhaus in Weimar (Plakat für Else Lasker-Schüler) und war als Innenarchitektin in Wien erfolgreich tätig. 1934 wurde sie als Mitglied der Kommunistischen Partei verhaftet und emigrierte danach nach Prag, wo sie 1936 Pavel Brandeis ehelichte und die tschechische Staatsbürgerschaft annahm. 1938 zog sie mit ihrem Mann nach Hronov, nordöstlich von Prag. Das Ehepaar wurde verhaftet und am 17. Dez. 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Mit einem der letzten Zugtransporte von Theresienstadt nach Auschwitz wurde Friedl Dicker-Brandeis am 6. Oktober 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und dort kurz nach der Ankunft, am 9. Oktober 1944 ermordet.

 

Bis zum heutigen Tag existiert in Wien keine Straße, die ihren Namen trägt. Hingegen ist nach Hans Kloepfer seit 1955 nach wie vor eine Straße in Wien- Donaustadt benannt. Kloepfer war Arzt und Mundartdichter in der Steiermark, verherrlichte in zahlreichen Gedichten Hitler, war ab Mai 1938 NSDAP-Mitglied und Ehrenmitglied im Bund deutscher Schriftsteller, 1941 erhielt er die „Goethe‐Medaille“; Hitler und Goebbels ließen bei seinem Begräbnis 1944 Kränze nieder-legen. Anstelle von Hans Kloepfer, nach dem 2016 immer noch einige Straßen in der Steiermark benannt sind und der nach wie vor Grazer Ehrenbürger ist, sollte künftig zumindest in Wien-Donaustadt an Friedl Dicker-Brandeis erinnert werden.

Serie: "Friedl Dicker-Brandeis". "Schrei 11:59 Uhr", 2016, 48 x 36cm; ©: Konstanze Sailer
Serie: "Friedl Dicker-Brandeis". "Schrei 11:59 Uhr", 2016, 48 x 36cm; ©: Konstanze Sailer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Friedl Dicker studierte

 

zunächst an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien, später als eine der erfolgreichsten Studentinnen am frühen Bauhaus in Weimar, bei Johannes Itten. Walter Gropius, Oskar Schlemmer und Paul Klee zählten zu ihrem Bekanntenkreis.

 

 

 

 

 

"Schrei 12:04 Uhr", 2016, 48 x 36cm
"Schrei 12:04 Uhr", 2016, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zunächst als Bühnenbildnerin

 

für Theater in Berlin und Dresden tätig, betrieb sie danach in Wien gemeinsam mit Franz Singer ein Architekturatelier. Neben zahlreichen Bauaufgaben war sie u. a. für die Innenausstattung des Montessori-Kindergartens im Goethehof in Wien-Donaustadt verantwortlich.

 

 

 

 

"Schrei 13:01 Uhr", 2016, 48 x 36cm
"Schrei 13:01 Uhr", 2016, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

Der Kindergarten im Goethehof

 

war ein Vorzeigekindergarten des Roten Wien der 1930er Jahre, im Wiener Bezirk Donaustadt. In den Februarkämpfen 1934 war der Goethehof heftig umkämpft und geriet als eine der letzten Bastionen des Republikanischen Schutzbundes unter starken Beschuss.

 

 

 

 

"Aufschrei 14:38 Uhr", 2016, 48 x 36cm
"Aufschrei 14:38 Uhr", 2016, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nur ein Jahrzehnt später,

 

nach ihrer Verhaftung und Deporta- tion in das Ghetto Theresienstadt, am 17. Dez. 1942, organisierte Friedl Dicker-Brandeis unter schwierigsten Bedingungen in Theresienstadt Zeichenkurse für Kinder.

 

 

 

 

"Schrei 13:27 Uhr", 2016, 48 x 36cm
"Schrei 13:27 Uhr", 2016, 48 x 36cm

 

 

  

 

 

 

 

 

 

 

 

Tausende dieser

 

Kinderzeichnungen sind erhalten geblieben, Friedl Dicker-Brandeis ermutigte die Kinder ihre Namen in die Zeichnungen einzufügen und stärkte damit deren Identität und Selbstwertgefühl – keine einzige Zeichnung ist mit der Lagernummer eines Kindes signiert.

 

 

 

 

"Aufschrei 15:45 Uhr", 2016, 48 x 36cm
"Aufschrei 15:45 Uhr", 2016, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hinausgekrönt

 

... Kelche der großen

Ghetto-Rose, aus der

du uns ansiehst, unsterblich von soviel

auf Morgenwegen gestorbenen Toden.

                                  Paul Celan

 

 

 

 

"Aufschrei 15:21 Uhr", 2016, 48 x 36cm
"Aufschrei 15:21 Uhr", 2016, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

 

 

 

 

Jedem einzelnen

 

der tausenden zum Aufschrei geöffneten Kiefer, die aus dem Papierwerk der Malerin Konstanze Sailer stammen, ist ein individueller Todeszeitpunkt zugeordnet. Die dargestellten Kiefer sind in das Bild gesetzte sprachliche Zeichen.

 

 

 

 

"Schrei 16:44 Uhr", 2016, 48 x 36cm
"Schrei 16:44 Uhr", 2016, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die malerisch

 

konservierten Schreie repräsentieren Momente der Verwundung und des Todes von Menschen. Erst im Nachhall der Aufschreie wird die Erinnerung dauerhaft.