Kunstinitiative

des Gedenkens

von

Konstanze Sailer

"Statt der Frauen" Teil I:

Memorial 01. - 31. Januar 2019

Anstelle der Malerin Helene Taussig, die Opfer der NS-Diktatur wurde, ist nach dem Bildhauer Josef Thorak, der sich mit dem NS-Regime und Adolf Hitler persönlich bestens arrangierte, heute noch eine Straße in Salzburg benannt.

 

 

Helene von Taussig (* 10. Mai 1879 in Wien; † 21. April 1942 im Transit-Ghetto Izbica) war eine österreichische Malerin. Nach dem Tod ihres Vaters, des Gouverneurs der Bodencreditanstalt Theodor von Taussig, widmete sie sich ab 1910 gänzlich der Malerei. Sie lebte und arbeitete seit 1919 in Anif bei Salzburg, Ausstellungen ab 1927 folgten, 1934 ließ sie sich ein Atelier in Anif errichten. 1940 wurde sie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft aus Anif ausgewiesen, 1941 enteignet und am 9. April 1942 in das Transit-Ghetto Izbica deportiert. Helene Taussig wurde am 21. April 1942 von Izbica als verstorben gemeldet, vermutlich aber bereits davor in einem der NS-Vernichtungslager Belzec, Sobibor oder Majdanek ermordet.

 

Die Grafikerin Poldi Wojtek (1903-1978) hatte offenkundig nicht das geringste Problem damit, im arisierten Atelierhaus der Malerin Helene Taussig zu leben. Und das, obwohl sie sogar gemeinsam mit Taussig in der Künstlerinnen-Vereinigung "Wiener Frauenkunst" aktiv war; Helene Taussig und Emma Schlangenhausen waren Gründungsmitglieder. Poldis Vater, der Salzburger Hofrat Josef Wojtek, hatte das Haus 1941 "erworben" und es seiner Tochter 1943 geschenkt. Poldi Wojtek gestaltete 1928 ein Sujet, das als Plakat vergangener Festspiele und auch heute noch als "Logo" der Salzburger Festspiele Verwendung findet.

 

 

 

"Helene Taussig, Memorial 03", 2018, Tusche auf Papier, 65 x 50cm; ©: Konstanze Sailer
"Helene Taussig, Memorial 03", 2018, Tusche auf Papier, 65 x 50cm; ©: Konstanze Sailer

 

 

Von 1932 bis 1941 war Poldi Wojtek mit Kajetan Mühlmann, einem Kunsthistoriker, SS-Offizier und späteren NS-Kunsträuber verheiratet. Hofrat Josef Wojtek, ihr Vater, trat auch immer wieder im Zusammenhang mit "Arisierungen" und "NS-Enteignungen" in Erscheinung: als zuständiger Beamter für konfiszierte Repräsentationsgebäude in Salzburg. So wurde er etwa im Frühjahr 1938 zum kommissarischen Leiter des Schlosses Leopoldskron – Max Reinhardt war gleichfalls enteignet worden – bestellt.

 

Bereits, 1936 illustrierte Poldi Wojtek ein propagandistisches Kinderbuch, das die Lebensgeschichte Adolf Hitlers idealisierte. Das Kinderbuch erschien 1936 unter dem Titel "Eine wahre Geschichte. Worte und Bilder von zwei Deutschen aus dem Auslande", ein Kinderbuch-Bestseller. Der Text zu Wojteks Illustrationen stammt von Karl Springenschmid, jenem völkischen NS-Schriftsteller, NSDAP-, SA- und SS-Mitglied sowie Leiter des Salzburger Schulwesens und des NS-Lehrerbundes, der als einer der Hauptverantwortlichen für die Bücherverbrennung auf dem Salzburger Residenzplatz, am 30. April 1938, gilt.

 

Durch Kajetan Mühlmann, der u.a. auch in den Räumen von Schloss Belvedere an der Prinz-Eugen-Straße wohnte sowie durch ihren Bruder Wilhelm erhielt Poldi Wojtek während der NS-Zeit zahlreiche Aufträge. Dazu zählte u. a. auch die Mitarbeit an der Gestaltung des Eisernen Vorhangs am Wiener Akademietheater. Wilhelm Wojtek und der Architekt Alexander Popp, NSDAP-Mitglied seit 1935 und späterer Rektor der Akademie der Bildenden Künste in Wien, leiteten den Umbau des Theaters. Unter den zahlreiche Aufträgen, die Wojtek während der NS-Zeit erhielt, war auch ein "besonderer" Auftrag, den sie 1938 erfüllte, als sie einen Gobelin mit NS-Reichsadler- und Hakenkreuzmotiv samt Hitler-Zitat entwarf.

 

Als "Kunsträuber" der NS-Diktatur "sicherte", d. h. raubte Kajetan Mühlmann mit seinen Schergen zahlreiche öffentliche, kirchliche und vor allem jüdische Kunstschätze, in mehreren von der deutschen Wehrmacht unterworfenen europäischen Ländern. Unter anderem ließ sich auch Josef Thorak, der Lieblingsbildhauer Hitlers, von Mühlmann geraubte gotische Türen und Skulpturen für sein "arisiertes" Schloss Prielau – die Familie Hofmannsthal war enteignet worden – aus Frankreich beschaffen.

 

Statt Helene Taussig

 

Bis zum heutigen Tag existiert in Salzburg keine Straße, die nach Helene Taussig benannt ist. Hingegen ist nach Josef Thorak heute noch eine Straße im Salzburger Stadtteil Aigen benannt. Thorak war Bildhauer, NSDAP-Mitglied und sowohl durch die NSDAP als auch von Adolf Hitler persönlich gefördert und unterstützt.

 

Memory Gaps erinnerte bereits im Februar 2016 daran und empfahl seither, anstelle von Josef Thorak künftig in Salzburg an Helene Taussig zu erinnern. Poldi Wojtek war keine apolitische Gebrauchsgrafikerin der 1930er Jahre, sondern – wie zahlreiche andere Künstler, etwa Josef Thorak oder Clemens Krauss (Musikalischer Leiter der Berliner Staatsoper (1935-36), Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper (1937-44), Rektor des Salzburger Mozarteums (1939-45) sowie Generalintendant der Salzburger Festspiele (1942-45) – eine Profiteurin der Zeit und des totalitären NS-Regimes.