Kunstinitiative

des Gedenkens

von

Konstanze Sailer

When War Returns XIII:

"Vom langen Vergessen"

Ausstellung 01. - 28. Februar 2023

Dekaden des Vergessens: Queere Opfer des Nationalsozialismus

 

Seit 2015 erinnert Memory Gaps beständig an die zehntausenden queeren Opfer des Nationalsozialismus, stellvertretend seien drei Schicksale hervorgehoben:

 

 

Alfred Grünewald (* 17. März 1884 in Wien; † 9. September 1942 im Vernichtungslager Auschwitz) war ein österreichischer Schriftsteller jüdischer Herkunft. Nach seinem Architekturstudium in Wien war er zunächst als Architekt und Mitarbeiter von Adolf Loos tätig, danach lebte und arbeitete er als freier Schriftsteller. Grünewald war homosexuell. Er unternahm am 11. März 1938, am Vortag des NS-Einmarsches in Österreich einen Selbstmordversuch. Nach den Novemberpogromen wurde er am 14. Nov. 1938 in das KZ Dachau deportiert, im Januar 1939 wieder entlassen und floh nach Südfrankreich. Nach Kriegsausbruch wurde er mehrfach interniert, wieder freigelassen und lebte sodann bis September 1942 in Nizza. Dort wurde Alfred Grünewald von der Polizei des Vichy-Regimes festgenommen, an die SS ausgeliefert, am 7. September vom Sammellager Drancy bei Paris mit dem Transport Nr. 29 nach Auschwitz deportiert und dort vermutlich bereits am 9. September 1942 ermordet.

 

 

Paul Schieberle (* 07. Mai 1896 in Wien-Leopoldstadt; † 10. Dezember 1942 im Konzen-trationslager Dachau). Er wurde aufgrund seiner Homosexualität in das KZ deportiert. Wie aus den NS-Dokumenten des Archivs der KZ-Gedenkstätte Dachau hervorgeht, war Paul Schieberle "offiziell" als sogenannter "Berufsverbrecher" im Konzentrationslager Dachau inhaftiert.

 

 

Hans Oskar Lauffer (* 21. Februar 1892 in Berlin; † 14. Oktober 1942 in der NS-Tötungs-anstalt Schloss Hartheim) war Musiker in Berlin. Als Homosexueller während der NS-Diktatur verfolgt, wurde er am 1. Juli 1942 zunächst in das Konzentrationslager Dachau deportiert. Von dort wurde er in das bei Linz (Oberösterreich) gelegene, von den Nationalsozialisten im Rahmen der sogenannten „Aktion T4“ zur Tötungsanstalt umgebaute, Schloss Hartheim deportiert. In Hartheim wurden zwischen 1940 und 1944 an die 30.000 geistig und/oder körperlich behinderte und kranke Menschen sowie nach NS-Diktion als „lebensunwert“ klassifizierte KZ-Häftlinge ermordet. 

"Aufschrei 14:26 Uhr", 2017, 48 x36cm, ©: Konstanze Sailer
"Aufschrei 14:26 Uhr", 2017, 48 x36cm, ©: Konstanze Sailer

Zwischen 1933 und 1945

 

wurden während der NS-Diktatur systematisch hunderttausende gleichgeschlechtliche und trans-gender Lebensverläufe brutal zerschlagen.

 

 

Dass SA-Führer Ernst Röhm

 

homosexuell war, ebenso wie einige andere hochrangige und bekannte Nationalsozialisten, galt in der NS-Führung als offenes Geheimnis.

 

 

Gleichzeitig jedoch

 

verstieß Homosexualität in der NS-Terminologie gegen das sogenannte "gesunde Volks-empfinden". Die NS-Reichs- ...

"Schrei 09:03 Uhr", 2017, 48 x 36cm, ©: Konstanze Sailer
"Schrei 09:03 Uhr", 2017, 48 x 36cm, ©: Konstanze Sailer

... zentrale zur Bekämpfung der Homosexualität etwa verfolgte und verurteilte über 50.000 homosexuelle Männer nach dem massiv verschärften §175 des Strafgesetzbuches. Zahlreiche der Verurteilungen wurden mit dem richterlichen Auftrag der „Umerziehung“ versehen.

 

 

 

Die Dunkelziffer

 

ermordeter queerer Personen war jedoch weitaus höher, da zahlreiche von ihnen aus anderen offiziellen Gründen interniert und ermordet wurden.

 

 

Der nationalsozialistische

 

§175 des Strafgesetzbuches ...

"Schrei 08:17 Uhr", 2017, 48 x 36cm, ©: Konstanze Sailer
"Schrei 08:17 Uhr", 2017, 48 x 36cm, ©: Konstanze Sailer

... wurde in der BRD bis in das Jahr 1969 beibehalten, ab 1969 entschärft; vollständig aufge-hoben wurde er in Deutschland erst 1994. Die österreichische Bundesregierung hat erst 2005 queere Menschen als Opfer-gruppe der NS-Verfolgung offiziell anerkannt.

 

 

Mit Winkeln,

 

jenen farbigen, gleichschenkligen Stoffdreiecken auf der Häftlings-kleidung wurden Menschen, zu-sätzlich zu den Häftlingsnummern ihrer Grundrechte beraubt, kate-gorisiert und damit entindividuali-siert. Die farbigen Winkel bestimmten den Platz und das Grauen der Alltagsabläufe in den Konzentrationslagern.

 

 

Rosa Winkel

 

mussten von Schwulen getragen werden. Lesben wurden im überwiegenden Teil der Fälle als sogenannte „Asoziale“ eingestuft und mit schwarzen Winkeln ge-kennzeichnet. Ihre Zahl ist nicht einmal annähernd ermittelbar; dies u.a. auch deshalb, weil bis etwa Mitte der 1980er Jahre keine wissenschaftliche Erforschung ihrer Verfolgungsgeschichte stattfand.