Konstanze Sailer
Tusche auf Papier
Galerie Artroom
Lilli-Hagelberg-Gasse 43
1220 Wien
Lilli Hagelberg (* 25. April 1895 in Wien; † nach dem 13. März 1943 im
NS-Vernichtungslager Auschwitz), war eine österreichische Kunsthistorikerin, ev.-luth. mit jüdischen Wurzeln. Sie lebte in München, wo sie vorwiegend publizierte und unterrichtete. Zu ihren
wissenschaft-lichen Arbeiten zählten unter anderem Abhandlungen zu Heinrich von Kleist und Hugo von Hofmannsthal. Lilli (auch Lilly bzw. Lili)
Hagelberg wurde in München verhaftet und ab dem 15. April 1942 im Internierungslager in der Clemens-August-Straße festgesetzt. Sie wurde am 13. März 1943 nach Auschwitz deportiert und
dort vermutlich bereits kurz nach ihrer Ankunft ermordet.
Bis zum heutigen Tag existiert in Wien keine Straße, die ihren Namen trägt. Hingegen ist nach Richard Seefelder seit 1955 in Wien Donaustadt immer noch eine Gasse benannt. Seefelder war Arzt und Professor für Augenheilkunde in Leipzig und Innsbruck, in den 1920er Jahren auch Dekan und Rektor der Universität Innsbruck. Er trat 1933 in Innsbruck der (illegalen) NSDAP und 1938 der SS bei. 1939 wurde er SS-Untersturmführer. Als Mitglied des Nationalsozialis-tischen Deutschen Ärztebundes wurde er Oberstabsarzt und ab 1943 Oberstarzt der Wehrmacht. Anstelle von Richard Seefelder, der keinen nennenswerten Wien-Bezug aufweist, sollte in Wien Donaustadt an Lilli Hagelberg erinnert werden.
„Immer ist die Antike
ein Spiegel gewesen, in dem jede Zeit ihr Wesen schauen konnte.“
(Lilli Hagelberg, „Hofmannsthal und die Antike“, Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft, 17/1, 1922)
„Der Hofmannsthalschen Antike
gegenüber, die, durch und durch impressionistisch, ein chaotisches Wallen und Fließen von Schemen war, ist hier in diesen so extremen
Dichtern [Anm.: gemeint sind Franz Werfel und Stefan George] ein wesentlich Gemeinsames: ….
… die von beiden geschaute Antike ist eine gefügte Welt, eine stehende, gefügte Welt mit Bau, Satzung und Ordnung.“
(Lilli Hagelberg, ebda., 1922)
„Lilli Hagelberg hat in einem sehr
feinen Aufsatz dargetan, wie Hof-mannsthal, wenn er Griechisches umdichtet oder nachdichtet, im Grunde nur immer wieder löst, was der Grieche band, …
… wie Hofmannsthal die Gestalten in eben den Urzustand wieder zurücktaucht, aus dem an ihnen emporzutauchen der Grieche sie sich schuf …“
(Hermann Bahr, Neues Wiener Journal, 23.09.1923)
Als Kulturkontrast dazu
sei Richard Seefelder zitiert, der 1929, als Rektor der Universität Innsbruck und späteres NSDAP-und SS-Mitglied eine Rede anlässlich des
sogenannten Antrittskommers des Waffenrings hielt.
Dort gab er
der nationalen und der katholischen Studentenkompanie den Leitspruch mit: „Getrennt marschieren, vereint schlagen“.
(Burschenschaftliche Blätter 44, 1929/30)
Die Aufschreie
und angedeuteten Kiefer in den Tuschen von Konstanze Sailer sind in das Bild gesetzte sprachliche Zeichen. Einer phonematischen Orthografie des Grauens gleich ordnen sie zu: Kiefer zu Aufschrei, Schriftzeichen zu Todesphonem des je eigenen Sterbens.