Kunstinitiative

des Gedenkens

von

Konstanze Sailer

"Hagelberg"

Ausstellung 01. - 31. Januar 2018

 

Konstanze Sailer

 

Tusche auf Papier

 

 

 

Galerie Artroom

Lilli-Hagelberg-Gasse 43

1220 Wien

 

Lilli Hagelberg (* 25. April 1895 in Wien; † nach dem 13. März 1943 im NS-Vernichtungslager Auschwitz), war eine österreichische Kunsthistorikerin, ev.-luth. mit jüdischen Wurzeln. Sie lebte in München, wo sie vorwiegend publizierte und unterrichtete. Zu ihren wissenschaft-lichen Arbeiten zählten unter anderem Abhandlungen zu Heinrich von Kleist und Hugo von Hofmannsthal. Lilli (auch Lilly bzw. Lili) Hagelberg wurde in München verhaftet und ab dem 15. April 1942 im Internierungslager in der Clemens-August-Straße festgesetzt. Sie wurde am 13. März 1943 nach Auschwitz deportiert und dort vermutlich bereits kurz nach ihrer Ankunft ermordet.

 

Bis zum heutigen Tag existiert in Wien keine Straße, die ihren Namen trägt. Hingegen ist nach Richard Seefelder seit 1955 in Wien Donaustadt immer noch eine Gasse benannt. Seefelder war Arzt und Professor für Augenheilkunde in Leipzig und Innsbruck, in den 1920er Jahren auch Dekan und Rektor der Universität Innsbruck. Er trat 1933 in Innsbruck der (illegalen) NSDAP und 1938 der SS bei. 1939 wurde er SS-Untersturmführer. Als Mitglied des Nationalsozialis-tischen Deutschen Ärztebundes wurde er Oberstabsarzt und ab 1943 Oberstarzt der Wehrmacht. Anstelle von Richard Seefelder, der keinen nennenswerten Wien-Bezug aufweist, sollte in Wien Donaustadt an Lilli Hagelberg erinnert werden.

"Schrei 09:11 Uhr", 2017, 48 x 36cm
"Schrei 09:11 Uhr", 2017, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

   

 

 

 

 

Immer ist die Antike

ein Spiegel gewesen, in dem jede Zeit ihr Wesen schauen konnte.

 

(Lilli Hagelberg, „Hofmannsthal und die Antike“, Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft, 17/1, 1922)

 

 

 

 

"Schrei 09:01 Uhr", 2017, 48 x 36cm
"Schrei 09:01 Uhr", 2017, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Hofmannsthalschen Antike

 

gegenüber, die, durch und durch impressionistisch, ein chaotisches Wallen und Fließen von Schemen war, ist hier in diesen so extremen Dichtern  [Anm.: gemeint sind Franz Werfel und Stefan George]  ein wesentlich Gemeinsames: ….

 

 

 

 

"Aufschrei 10:08 Uhr", 2017, 48 x 36cm
"Aufschrei 10:08 Uhr", 2017, 48 x 36cm

 

 

 

  

 

 

 

  

 

 

 

 

 

 

die von beiden geschaute Antike ist eine gefügte Welt, eine stehende, gefügte Welt mit Bau, Satzung und Ordnung.

(Lilli Hagelberg, ebda., 1922)

 

 

 

 

"Aufschrei 10:22 Uhr", 2017, 48 x 36cm
"Aufschrei 10:22 Uhr", 2017, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Lilli Hagelberg hat in einem sehr

 

feinen Aufsatz dargetan, wie Hof-mannsthal, wenn er Griechisches umdichtet oder nachdichtet, im Grunde nur immer wieder löst, was der Grieche band,

 

 

  

 

"Aufschrei 11:23 Uhr", 2017, 48 x 36cm
"Aufschrei 11:23 Uhr", 2017, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

wie Hofmannsthal die Gestalten in eben den Urzustand wieder zurücktaucht, aus dem an ihnen emporzutauchen der Grieche sie sich schuf …“

 

(Hermann Bahr, Neues Wiener  Journal, 23.09.1923)

 

 

 

 

"Schrei 12:56 Uhr", 2017, 48 x 36cm
"Schrei 12:56 Uhr", 2017, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Als Kulturkontrast dazu

 

sei Richard Seefelder zitiert, der 1929, als Rektor der Universität Innsbruck und späteres NSDAP-und SS-Mitglied eine Rede anlässlich des sogenannten Antrittskommers des Waffenrings hielt.

 

 

 

   

"Schrei 13:32 Uhr", 2017, 48 x 36cm
"Schrei 13:32 Uhr", 2017, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

 

 

Dort gab er

 

der nationalen und der katholischen Studentenkompanie den Leitspruch mit: „Getrennt marschieren, vereint schlagen“.

(Burschenschaftliche Blätter 44, 1929/30)

 

 

 

  

"Endloser Schrei 15:47 Uhr", 2017, 48 x 36cm
"Endloser Schrei 15:47 Uhr", 2017, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Aufschreie

 

und angedeuteten Kiefer in den Tuschen von Konstanze Sailer sind in das Bild gesetzte sprachliche Zeichen. Einer phonematischen Orthografie des Grauens gleich ordnen sie zu: Kiefer zu Aufschrei, Schriftzeichen zu Todesphonem des je eigenen Sterbens.