Kunstinitiative

des Gedenkens

von

Konstanze Sailer

When war returns VI: "Relegation"

Ausstellung 01. - 31. Juli 2022

 

Konstanze Sailer

 

Tusche auf Papier

 

 

 

 

Elfriede Hartmann (* 21. Mai 1921 in Wien; † 2. November 1943 ebenda) war Studentin und Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus. Sie wuchs in Döbling auf, maturierte 1939 am Mädchenrealgymnasium Billrothstraße und inskribierte 1940 Chemie an der Universität Wien. Als „Mischling ersten Grades“ wurde sie noch im selben Jahr relegiert (von der Universität ausgeschlossen). Bereits seit 1938 stand sie mit dem Kommunistischen Jugendverband in Verbindung und verfasste zahlreiche Artikel sowie politische Flugblätter. 1942 wurde sie festgenommen, inhaftiert und wegen „Vorbereitung zum Hochverrat und Feindbegünstigung“ angeklagt. Elfriede Hartmann wurde im Alter von 22 Jahren zum Tode verurteilt und am 2. November 1943 im Wiener Landesgericht enthauptet.

 

Bis zum heutigen Tag existiert in Wien keine Straße, die ihren Namen trägt. Hingegen ist nach Hugo Bernatzik seit 1957 nach wie vor eine Gasse in Wien-Döbling benannt. Bernatzik war ein renommierter Ethnologe, ab Mai 1938 NSDAP-Mitglied, ab Juli 1938 Mitglied der Reichsschrifttumskammer und mehrerer weiterer Vorfeldorganisationen sowie ein passiver politischer Informant der NS‐Abwehrstelle im Bereich Wissenschaft und Hochschule. Anstelle von Hugo Bernatzik sollte künftig in Wien-Döbling an Elfriede Hartmann erinnert werden.

 

"Aufschrei 19:39 Uhr", 2016, 48 x 36cm
"Aufschrei 19:39 Uhr", 2016, 48 x 36cm

Die Widerstandsbewegungen

 

gegen den Nationalsozialismus bildeten sich rasch und an zahl-reichen Stellen der Gesellschaft. Allen voran formierte sich der politische Widerstand in den verbotenen Organisationen der Arbeiterbewegung.

 

Dazu zählten Sozialdemokraten, Kommunisten, die Jugendverbände und Exilgruppen dieser Parteien, die Gewerkschaften sowie zahlreiche weitere in die Illegalität gedrängte linke Gruppen und Organisationen.

 

Zusätzlich zum Widerstand des politisch linken Spektrums gab es Widerstand vonseiten des katholi- schen, bürgerlich-konservativen Lagers, von großösterreichischer und von legitimistischer Seite sowie religiös motivierten Widerstand. 

 

"Schrei 21:43 Uhr", 2016, 48 x 36cm
"Schrei 21:43 Uhr", 2016, 48 x 36cm

Der Kommunistische

 

Jugendverband in Österreich kämpfte bereits während des autoritären Ständestaates in Österreich gegen alle faschisierenden Tendenzen und intensivierte seine Aktivitäten ab 1938 gegen die Nationalsozialisten.

 

Dazu zählten sog. Schmieraktionen, Flugzettel, die Unterwanderung der Hitlerjugend und aufklärende Briefe an Frontsoldaten zwecks Schädig-ung der NS-Kriegsmaschinerie. Die Aktivitäten führten zu zahllosen Verhaftungen, zu Deportationen in Konzentrationslager und zu vielfachen Hinrichtungen junger Menschen.

 

Michel Foucault schrieb: „Widerstandspunkte sind überall im Machtnetz präsent. Darum gibt es im Verhältnis zur Macht nicht den einen Ort der großen Weigerung ...

"Schrei 22:01 Uhr", 2016, 48 x 36cm
"Schrei 22:01 Uhr", 2016, 48 x 36cm

 ... sondern es gibt einzelne Widerstände: mögliche, notwendige, unwahrscheinliche, spontane, wilde, einsame, abgestimmte, kriecherische, gewalttätige, unversöhnliche, kompromissbereite, interessierte oder opferbereite Widerstände.

 

 

 

 

 

Jeder  der zum schmerzerfüllten Aufschrei geöffneten Kiefer ist einem Laut zugeordnet. Jäh unterbrochene Sprache. Jeder Aufschrei ist der des je eigenen Sterbens – phonematische Orthografie des Grauens.

  

Jedem einzelnen der tausenden zum Aufschrei geöffneten Kiefer, die aus dem Papierwerk von Konstanze Sailer stammen, ist ein individueller Todeszeitpunkt zugeordnet.