Konstanze Sailer
Tusche auf Papier
Galerie Art Zone
Denny-Herzfeld-Straße 43
80636 München
Es gibt kaum Straßen oder Plätze – weder in Deutschland noch in Österreich – die nach jenen Kindern benannt sind, die in NS-Konzentrations- und -Vernichtungslagern ermordet wurden. Vielleicht liegt diese kommunale Erinnerungslücke darin begründet, dass junge Menschen aus Sicht der Allgemeinheit noch kein „interessantes“ Curriculum vorweisen können. Die Ermordungen von Kindern zählen zu den erschütterndsten der grauenhaften NS-Verbrechen.
Bis zum heutigen Tag existiert in München keine Straße, die einen der untenstehenden Namen von Kindern trägt. Hingegen ist nach Friedrich Hilble heute noch eine Straße im Münchner Stadtbezirk Neuhausen-Nymphenburg benannt. Hilble war ein „äußerst pflichtgetreuer" städtischer Beamter in München, der sich mutmaßlich in den 1930er-Jahren durch „uneingeschränkte Loyalität" zum NS-Regime „höchst verdient“ gemacht hatte.
Anstelle von Friedrich Hilble sollte künftig in Neuhausen-Nymphenburg jener in München geborenen Kinder gedacht werden, die ermordet wurden. Jedes dieser Kinder hat eine kommunale Ehrung weitaus mehr verdient als Friedrich Hilble. Die derzeitige Hilblestraße bildet eine Kreuzung mit der Dachauer Straße. Dieser harte Berührungspunkt einer Straßenkreuzung könnte zu einem Verbindungspunkt über die Zeit hinweg werden, wenn einem dieser Kinder die Ehre städtischen Gedenkens in Form eines Straßennamens zukäme, als späte Restitution:
Denny Herzfeld
wurde am 01. April 1940 in München geboren. Denny wohnte in Steinheim und Minden. Er wurde über Paderborn, Hannover, Erfurt und Dresden am
02. März 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und vermutlich kurz nach der Ankunft ermordet. Denny starb kurz vor seinem dritten Geburtstag.
Albert Julius Flank
wurde am 24. Dezember 1934 in München geboren. Albert Julius lebte in München und wurde von dort in das Ghetto Piaski deportiert, wo er am
03. oder 04. April 1942 ermordet wurde. Albert Julius verstarb im achten Lebensjahr.
Gideon Himmelreich
wurde am 16. Februar 1939 in München geboren. Gideon lebte in München, von wo er am 20. Novem-ber 1941 in das Konzentrationslager Kowno
(Kauen) deportiert und im sogenannten „Fort IX“, am 25. November 1941, ermordet wurde. Gideon starb im Alter von zweieinhalb Jahren.
wurde am 15. September 1939 in München geboren. Judis wohnte in einem Kinderheim der Israelitischen Jugendhilfe in Schwabing. Am 13. März
1943 wurde sie nach Auschwitz-Birkenau deportiert und am 16. oder 17. März ermordet. Judis wurde dreieinhalb Jahre alt.
Bernhard Julius Ostertag
wurde am 08. Mai 1930 in München geboren. Bernhard Julius war in München wohnhaft und wurde von dort in das Ghetto Piaski deportiert, wo er
am 03. oder 04. April 1942 ermordet wurde. Bernhard Julius verstarb kurz vor Vollendung seines zwölften Lebensjahres.
wurde am 28. September 1936 in München geboren. Ernst wohnte in München und floh mit seiner Familie 1938 nach
Antwerpen. Ab Mai 1940 wurde Belgien von NS-Deutschland militärisch besetzt, die jüdische Familie wurde verhaftet und von Mechelen bei Brüssel, am 15. Januar 1943, in das Vernichtungslager
Auschwitz-Birkenau deportiert und vermutlich kurz nach der Ankunft ermordet. Ernst wurde sechs Jahre und drei Monate alt.
Dittmar van Wien
wurde am 02. Januar 1928 in München geboren. Dittmar lebte in München. Er wurde am 20. November in das Konzentrationslager Kowno (Kauen)
deportiert, wo er im sogenannten „Fort IX“ am 25. November 1941 ermordet wurde. Dittmar verstarb noch vor dem Ende seines dreizehnten Lebensjahres.
Die Arbeiten
aus dem Papierwerk der Malerin Konstanze Sailer sind Zuordnungen von Aufschreien zu Todesphonemen. Aufschreie sind jäh unterbrochene
Sprache, wie abschiedsloses Sterben.