Kunstinitiative

des Gedenkens

von

Konstanze Sailer

When War Returns XX:

"Der erstattete Park der Helene Taussig"

Intervention 01. - 30. September 2023

Helene Taussig, Malerin

 

Helene Taussig (* 10. Mai 1879 in Wien; † 21. April 1942 im Transit-Ghetto Izbica) war eine österreichische Malerin. Nach dem Tod ihres Vaters, des Gouverneurs der k.k. Boden-Creditanstalt Theodor von Taussig, widmete sie sich ab 1910 gänzlich der Malerei. Sie lebte und arbeitete ab 1919 in Anif bei Salzburg, Ausstellungen ab Mitte der 1920er-Jahre folgten.

 

1940 wurde sie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft aus Anif ausgewiesen, 1941 enteignet und am 9. April 1942 in das Transit-Ghetto Izbica deportiert. Helene Taussig wurde vermutlich bereits vor dem 21. April 1942 in einem der NS-Vernichtungslager Belzec, Sobibor oder Majdanek ermordet.

"Taussig Nr. 34", 2015, 48 x 36cm, ©: Konstanze Sailer
"Taussig Nr. 34", 2015, 48 x 36cm, ©: Konstanze Sailer

Zwischen Wien und Salzburg

 

Seit 1919 in Anif bei Salzburg ansässig, hatte sich Helene Taussig nach dem Tod ihres Vaters allmählich aus der familiären Umklammerung entfernt. Sie konvertierte in der neu gewonnenen Freiheit in Salzburg nicht nur zum katholischen Glauben, sondern lebte, wie es in den 1920er und 30er Jahren diskret formuliert wurde, mit ihren künstlerischen Gefährtinnen zusammen, arbeitete und unternahm Ski-Touren und ausgedehnte Reisen mit diesen; mit Emma Schlangenhausen unter anderem in die Schweiz und nach Paris.

"Taussig Nr. 38", 2015, 48 x 36cm, ©: Konstanze Sailer
"Taussig Nr. 38", 2015, 48 x 36cm, ©: Konstanze Sailer

Verschwundene Villen: von Malfatti bis Taussig

 

Auf dem nach Wien-Hietzing abfallenden Nordhang des Küniglbergs, befand sich zwischen 1830 und 1892 die Villa des k.k. Leibarztes Johann Baptist Malfatti (1775–1859), zu dessen Patienten, nebst ErzherzögInnen, Grafen und Gräfinnen, kurz auch Ludwig van Beethoven zählte.

Grundrisse der Villen Malfatti (l.) und Taussig (r.) auf dem Küniglberg in Wien-Hietzing.

Theodor von Taussig (1849–1909) erwarb das Anwesen von den Erben Malfattis und ließ an gleicher Stelle ab 1892 eine geräumige Gründerzeit-Villa, mit Akzenten der Formensprache französischer Renaissance, samt Palmenhaus, Tanz-Saal, Kegelbahn und großzügiger Gartenanlage, errichten. Die von Architekt Karl König geplante Villenanlage war nicht nur architektonisch sondern auch technisch auf dem Stand ihrer Zeit: ein Wasserpumpwerk sorgte für unabhängige Wasserzufuhr, ein Generator, angetrieben von einem 25 PS starken Ottomotor, lieferte elektrischen Strom. Innerhalb der weitläufigen Gartenanlage waren zwei Bassins geplant; zudem befanden sich darauf eine Pferdekoppel samt Stallungsgebäuden sowie ein Gärtner-, Kutscher- und Portierhaus an der Grundstücksgrenze des Anwesens.

Villa Taussig: Fotografie von August Stauda (um 1900), in 1130 Wien, Franz-Schalk-Platz / Gloriettegasse 47-49; © Sammlung Wien Museum (CCO).
Villa Taussig: Fotografie von August Stauda (um 1900), in 1130 Wien, Franz-Schalk-Platz / Gloriettegasse 47-49; © Sammlung Wien Museum (CCO).
Villa Taussig (im Bildhintergrund Hietzing): Fotografie von August Stauda (um 1900), in 1130 Wien, Franz-Schalk-Platz / Gloriettegasse 47-49; © Sammlung Wien Museum (CCO).
Villa Taussig (im Bildhintergrund Hietzing): Fotografie von August Stauda (um 1900), in 1130 Wien, Franz-Schalk-Platz / Gloriettegasse 47-49; © Sammlung Wien Museum (CCO).

Als Theodor von Taussig 1909 verstarb, teilte sich das Erbe auf seine Ehefrau und insgesamt 12 Kinder auf, wodurch keiner der Erben finanziell in der Lage war, die übrigen Familienmitglieder auszuzahlen. Wohl auch aus diesem Grund wurde das gesamte Anwesen veräußert, 1931 wurden die Gebäude schließlich abgerissen.

Neustart und Atelier-Villa in Anif bei Salzburg

 

Nach erfolgter Aufteilung des Vermögens ließ sich Helene Taussig, nunmehr finanziell unabhängig, im Jahre 1934 eine Atelier-Villa in Anif bei Salzburg errichten. Die Planung des Bauvorhabens erfolgte durch den jungen Salzburger Architekten Otto Prossinger, für den dieser Auftrag eine seiner ersten größeren Planungsarbeiten darstellte.

"Taussig Nr. 40", 2015, 48 x 36cm, ©: Konstanze Sailer
"Taussig Nr. 40", 2015, 48 x 36cm, ©: Konstanze Sailer

Helene Taussig zog sich in das von ihr mitgeplante und liebevoll "Schneckenhaus" genannte Atelier-Haus zurück. In ihre eigene Welt, mit einem Hauch von "splendid Isolation" und dem Vorhaben, ihre Karriere als Malerin weit über die Grenzen Salzburgs hinaus, mit Ausstellungen in Wien, Den Haag und Paris in Gang zu bringen. Die ab 1934 immer autoritärer werdenden politischen und gesellschaftlichen Tendenzen nahm sie nur peripher zur Kenntnis.

 

Wurde ihr die eigene politische Naivität, verstärkt durch ihre großbürgerliche Herkunft, damit zum Verhängnis? Reichte der Denuntiationsarm aus Salzburg gar bis in das "Altersheim der Karmeliterinnen für nicht-arische Katholikinnen" in Wien, in das sie sich geflüchtet hatte?

"Taussig Nr. 41", 2015, 48 x 36cm, ©: Konstanze Sailer
"Taussig Nr. 41", 2015, 48 x 36cm, ©: Konstanze Sailer

Wien: Park-Benennung nach Helene Taussig?

 

 

Nach Franz Schalk, jenem Dirigenten, dessen Name sich auf dem ersten von Poldi Wojtek 1928 gestalteten Plakat der Salzburger Festspiele findet, ist heute ausgerechnet jener Platz benannt, an dem das Eingangstor zur Villa Taussig am Küniglberg stand. Eine mäanderartige Verquickung und Verkettung.

Einfahrt (mögl. künftiger) "Helene-Taussig-Park", Foto © Memory Gaps 2023
Einfahrt (mögl. künftiger) "Helene-Taussig-Park", Foto © Memory Gaps 2023

Nach zahlreichen seit Jahren unterbreiteten Vorschlägen, in Salzburg eine Straße nach Helene Taussig zu benennen, wendet sich Memory Gaps nunmehr an die Wiener Stadtverwaltung.

 

Memory Gaps schlägt vor, einen Teil der Parkanlage Küniglberg, der einst im Familienbesitz der Familie Taussig stand, nach der ermordeten Künstlerin Helene Taussig zu benennen.

Dieser Teil des Parks hätte damit nicht nur den wohlklingenden Namen Helene-Taussig-Park, sondern wäre stellvertretend allen während der NS-Diktatur ermordeten Künstlerinnen gewidmet. Als geistige Wiedergewinnung und symbolische Restitution an einem historisch belasteten Teil Hietzings.

Stadt Wien, Wiener Stadtgärten-Orientierungstafel; Foto © Memory Gaps 2023
Stadt Wien, Wiener Stadtgärten-Orientierungstafel; Foto © Memory Gaps 2023

Historisch belasteter Küniglberg

 

Der von Ost nach West verlaufende Höhenrücken des Küniglbergs ermöglichte eine vollständige Kontrolle und Übersicht in nördliche und südliche Richtung. Unter anderem war diese Lage einer der Gründe dafür, dass die deutsche Wehrmacht 1938 mit dem Bau einer Flakkaserne auf dem Küniglberg begann.

Hermann Göring bei der Besichtigung des Modells der Flakkaserne Küniglberg, bei der Festrede und dem Spatenstich, am 14. Mai 1938. Quellen: "Völkischer Beobachter", 15.05.1938; "DiB-Bildbericht", 19.05.1938
Hermann Göring bei der Besichtigung des Modells der Flakkaserne Küniglberg, bei der Festrede und dem Spatenstich, am 14. Mai 1938. Quellen: "Völkischer Beobachter", 15.05.1938; "DiB-Bildbericht", 19.05.1938

Den Spatenstich nahm, am 14. Mai 1938, der von Gauleiter Bürckel, Bürgermeister Neubacher und Reichsstatthalter Seyß-Inquart herzlich begrüßte spätere Hauptkriegsverbrecher Hermann Göring persönlich vor. Bis 1945 wurde die Flakkaserne Küniglberg von der NS-Luftwaffe genutzt, nach Kriegsende bis 1955 von britischen Besatzungstruppen, wobei die Gebäude teilweise bereits ab etwa 1950 gewerblicher Nutzung zugeführt wurden.

 

Ab dem Ende der 1950er Jahre entstanden erste Konzepte und Planungen für die Errichtung eines ORF-Fernsehstudios. Die NS-Flakkaserne wurden 1969 abgerissen und auf deren Gelände bis 1975 das ORF-Fernsehstudio Küniglberg errichtet, das sukzessive zum heutigen ORF-Zentrum Küniglberg ausgebaut wurde.