Kunstinitiative

des Gedenkens

von

Konstanze Sailer

Intervention I: Poldi Wojtek, Grafikerin

01. - 31. Juli 2018

Das Leben der Grafikerin Poldi Wojtek: vom Plakat der Salzburger Festspiele 1928 bis zur "Arisierung" der Villa von Helene Taussig

 

Ein "ehrenwerter" Salzburger Hofrat

 

Die "Arisierung" der Villa der Malerin Helene Taussig in Anif erfolgte per "Kaufvertrag" vom 1. Oktober 1941. Gemäß dieses "Vertrags" erwarb Hofrat Ing. Josef Wojtek für einen Betrag von 17.100 Reichsmark das Haus. Der SS-Offizier und NS-Kunsträuber Kajetan Mühlmann, mit Leopoldine "Poldi" Wojtek, der Tochter von Josef Wojtek von 1932-1941 verheiratet, zahlte in diesem Zusammenhang einen Teilbetrag von 15.000 Reichsmark auf das Namenskonto „Entjudungserlös Helene Taussig“ bei der Landeshypothekenanstalt in Salzburg ein.

 

Kajetan (Kai) Mühlmann, Kunsthistoriker, späterer SS-Offizier und NS-Kunsträuber war ab 1926 bei den Salzburger Festspielen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit tätig. Er lernte dort die Grafikerin Poldi Wojtek (1903–1978) kennen. Sie gestaltete u. a. 1928 ein Sujet, das als Plakat vergangener Festspiele und auch heute noch als "Logo" der Salzburger Festspiele Verwendung findet. Die Ehe wurde, unterschiedlichen Quellen zufolge, zwischen 1941 und 1943 geschieden, u.a. deshalb, weil Mühlmann in der Zwischenzeit mit einer anderen Frau drei Kinder hatte.

 

1940 wurde Helene Taussig aufgrund ihrer jüdischen Herkunft aus Anif ausgewiesen, 1941 durch „Arisierung“ enteignet. Sie floh nach Wien und fand in Wien-Floridsdorf kurz Zuflucht im Altersheim des Klosters der Karmelitinnen. Von dort wurde sie am 9. April 1942 in das Transit-Ghetto Izbica deportiert und vermutlich vor dem 21. April 1942 ermordet.

 

1943 schenkte Josef Wojtek seiner Tochter Poldi das "arisierte" Atelierhaus der Malerin.

 

Der ruhige Lebensabend des NS-Kunsträubers Kai Mühlmann

 

Kajetan Mühlmann knüpfte bereits im Laufe der 1930er Jahre Kontakte zu Arthur Seyß-Inquart, zu Hermann Göring, und er war 1938 zu Besuch bei Adolf Hitler, auf dessen Berghof am Obersalzberg, als dieser am 12. Februar Kurt Schuschnigg brüllend demütigte und ihm das sog. "Berchtesgadener Abkommen" aufzwang. Als Bundeskanzler ernannte Seyß-Inquart den SS-Offizier Mühlmann zum Staatssekretär für Kultur. Als "Kunsträuber" der NS-Diktatur "sicherte", d. h. raubte dieser mit seinen Schergen zahlreiche öffentliche, kirchliche und vor allem jüdische Kunstschätze, in mehreren von der deutschen Wehrmacht unterworfenen europäischen Ländern. Unter anderem ließ sich auch Josef Thorak, der Lieblingsbildhauer Hitlers, von Mühlmann geraubte gotische Türen und Skulpturen für sein "arisiertes" Schloss Prielau – die Familie Hofmannsthal war enteignet worden – aus Frankreich beschaffen.

 

Zwischen 1945 und 1948 wurde Kai Mühlmann mehrfach von US-amerikanischen Militär-behörden vorübergehend verhaftet und verhört. Nach 1948 lebte er von einem öster-reichischen Gerichtsverfahren in Abwesenheit abgesehen als Zivilist unbehelligt am Starnberger See, starb 1958 in München und wurde in Salzburg-Maxglan begraben. Durch Kajetan Mühlmann und durch ihren Bruder Wilhelm erhielt Poldi Wojtek während der NS-Zeit zahlreiche Aufträge, u. a. die Mitarbeit an der Gestaltung des Eisernen Vorhangs am Wiener Akademietheater. Wilhelm Wojtek und der Architekt Alexander Popp, NSDAP-Mitglied seit 1935 und späterer Rektor der Akademie der Bildenden Künste in Wien, leiteten den Umbau des Theaters. Ebenso illustrierte sie, 1936 als Poldi Mühlmann ein propagandistisches Kinderbuch, das die Lebensgeschichte Hitlers idealisierte.

 

Skizze nach dem Original-Entwurf von Wojtek 1928, als Beispiel für eine temporäre Logo-Umgestaltung.
Skizze nach dem Original-Entwurf von Wojtek 1928, als Beispiel für eine temporäre Logo-Umgestaltung.

 

 

 

Zwei Ideen für das Gedenkjahr 2018

 

 

Im Gedenkjahr 2018 könnten die Salzburger Festspiele das als "Logo" verwendete Plakat, das vor 90 Jahren von Poldi Wojtek gestaltet wurde, temporär verändern. Als Zeichen des Gedenkens könnte nicht die Druckversion, sondern nur die online-Version modifiziert werden.

 

Dabei könnte der Innenteil farbreduziert und gespiegelt werden, als eine Art „Innen-Spiegelung“ der Salzburger Festspiele. Als Ausdruck, dass gewisse, mit den Festspielen verbundene, jedoch aufgrund Ihrer politischen Haltung sehr problematische Musiker, Komponisten und Dirigenten der 1930er und 1940er Jahre, im Sinne der Erinnerungskultur nicht übersehen werden.

Skizze nach dem Original-Entwurf von Wojtek 1928, als Beispiel für eine temporäre Logo-Umgestaltung.
Skizze nach dem Original-Entwurf von Wojtek 1928, als Beispiel für eine temporäre Logo-Umgestaltung.

 

 

 

 

 

 

 

 

Eine weitere Idee für die temporäre Umgestaltung des online-Logos der Salzburger Festspiele im Gedenkjahr 2018, könnte ein über den farbreduzierten Entwurf von Wojtek gelegter schwarzer Trauerschleier sein, der die "Arisierung" der Atelier-Villa Taussig 1941 und die Ermordung der Malerin Helene Taussig 1942 thematisiert.

 

Memory Gaps unterstützt seit 2016 die von Konstanze Sailer stammende Idee, die nach Josef Thorak, dem Lieblings-bildhauer Hitlers benannte Straße in Salzburg-Aigen in Helene-Taussig-Straße umzubenennen.

 

Zumindest im Gedenkjahr 2018 sollte das als "Logo" der Salzburger Festspiele auch heute noch verwendete Sujet, das vor 90 Jahren von Poldi Wojtek gestaltet wurde, kommentiert werden.

 

Dies ist der Kommentar der digitalen Kunstinitiative Memory Gaps ::: Erinnerungslücken.